Erste Liga, nie mehr?
The Ayes
Von Daniel Roßbach
Da die Teilnahme an der höchsten Spielklasse die Folge sportlichen Erfolgs ist, erscheint es prima facie unzweifelhaft, dass sie erstrebenswert ist. Schließlich besteht der Sinn des Spiels darin, es möglichst gut ausüben zu wollen. Dies zu verneinen hieße, das Spiel an sich nicht ernst zu nehmen - und wie etwa Hans Georg Gadamer im Kapitel zum "Spiel" in Wahrheit und Methode erläutert, nimmt dieses Verhalten dem Spiel ebenso sehr seinen Reiz wie un-verspielte Verbissenheit.
Allerdings ist für jede, die das Phänomen professionalisierten modernen Sports betrachtet, offensichtlich, dass es dabei nicht nur, und vielleicht nicht mal in erster Linie um das Spiel selbst geht. Auch wir können uns also den sportfremden Aspekten des Fußballs nicht entziehen wenn wir versuchen, die Teilnahme an den Wettbewerben, in denen sie am prominentesten sind, zu rechtfertigen oder zu motivieren.
Dirk Zingler ist Präsident des 1. FC Union Berlin, eines Vereins, der sich als Verkörperung einer Art von Fußball versteht, die von Kommerzialisierung und 'Modernisierung' so wenig affiziert ist wie möglich. Er besteht immer wieder darauf, dass dieses Ideal nur verwirklicht werden kann, wenn der Verein sportlich erfolgreich ist und möglichst in der ersten Bundesliga spielt. Anders sei es unmöglich, wirtschaftlich stark genug zu sein, eigene Entscheidungen zu treffen und Ideale zu erhalten - so erklärt Zingler die sportlichen Ambitionen des Vereins jenen Anhängern, die das Gefühl hegen, mit ihrem Klub in den unteren Etagen besser aufgehoben zu sein.
Diesem inneren Imperativ der Selbstbehauptung entsprechen Anforderungen der Außenwirkung. Allen 'against modern football' Transparenten und sich vom Fußball distanzierenden Blogposts zum Trotz fokussiert sich die mediale und allgemeine Aufmerksamkeit auf das Geschehen in der obersten Klasse (in Symmetrie und Wechselwirkung zum Beispiel mit dem im Fußball umlaufenden Geld).
Nur wer dort vertreten ist hat Gelegenheit, die eigene Vorstellung von Fußball und den Institutionen, die ihn umgeben und tragen, zu präsentieren und zu etablieren. Natürlich kann man diese Aufmerksamkeits-Ökonomie zusammen mit den TV-Rechte Verträgen für eine verfehlte Entwicklung halten, doch verschwinden werden sie dadurch nicht (unmittelbar).
Gerade dieses Argument, das Anhänger von Vereinen in der zweiten Liga dafür vorbringen, auf einen Aufstieg und Präsenz auf der größten Bühne zu drängen, zeigt zugegebenermaßen, dass eine Systemkrise besteht: Wenn eine stabile Existenz nur für die möglich ist, die sich in der absoluten Elite positionieren können - also da, wo der Druck von mehr oder weniger fairer Konkurrenz am größten ist - werden letztlich alle gezwungen, die eigenen Prinzipien, so sie denn existieren, kurz- und mittelfristigem Erfolg unterzuordnen.
Das alles wird aber nicht dadurch besser, dass der eigene Verein, und man selbst, nicht in der Elite verteten ist. Vielmehr scheint das Risiko hoch, dass wenn sich Institutionen, die den Sport auf die 'richtige' Weise praktizieren, aus der Spitze zurück ziehen, die negativen Tendenzen dort nur verfestigt und bestärkt werden. Das bliebe auch für den Rest der Pyramide nicht folgenlos, da diese Entwicklungen sich entweder dort fortsetzen (wie es in einigen unterklassigen Vereinen sichtbar) - oder sich die Spitze vollkommen und noch stärker von ihrem Unterbau löst. Keiner dieser Zustände ist besonders erstrebenswert. Das vegetierende Dasein, das sich größer anfühlende Vereine in der dritten Liga fristen, ist hierfür ein deutliches Fanal.
Vielleicht ist professioneller Fußball vor seiner Selbstkannibalisierung nicht zu retten. Aber wenn, dann nur, wenn manche Teile dieses Körpers gesunde sind.
Kontra-Punkt
Von Robert Schmidl
Betrachtet man Fußballvereine als Wirtschaftsunternehmen, gibt es nicht viele gute Gründe, die gegen eine Teilnahme an der höchsten Spielklasse sprechen. Die 1.Bundesliga ist ohne Zweifel in Deutschland die Liga, in der das meiste Geld zu erspielen ist.
Dabei wird aber oft übersehen, dass dies in erster Linie für einen ausgewählten Kreis von vielleicht 5-7 Mannschaften der ersten Liga gilt. Der Rest der Liga findet sich Jahr für Jahr in einem immer enger werdenden Mittelfeld wieder, das in erster Linie dafür sorgt, dass Planungssicherheit manchen erst nach Abschluss der Relegatiosrunde vergönnt ist. Möchte man als Verein diesen Kreislauf vermeiden, so sind erhebliche Investitionen in Sport und Infrastruktur nötig, die wiederum nur einer begrenzten Anzahl von Vereinen überhaupt möglich sind.
Diese Anforderung ist realistisch in dem, was heutzutage “moderner Fußball” genannt wird, nicht vereinbar mit einem Mindestanspruch an Authentizität. Mag dieses Buzzword auch von jedem anders interpretiert werden, wird doch mit jeder präsentierten Ecke und jedem verkauften Werbeplatz, der das Spiel unterbricht, ein kleines Stückchen Freiraum, in dem sich sonst Fankultur entfalten könnte, weggenommen.
Das Stadionerlebnis wird notgedrungen zum Werbeträger derjenigen Sponsoren, die den erheblichen Aufwand, der zu einem Verbleib in der ersten Liga nötig ist, finanzieren. Um auf die Plätze 1-7 der ersten Liga zu gelangen, die nicht nur einen Verbleib sondern auch eine finanzielle Belohnung der Teilnahme an dieser Liga versprechen, scheint in naher Zukunft nicht nur ein Ausverkauf des Stadionerlebnisses nötig zu werden, sondern gleich der Verkauf von signifikanten Anteilen des Gesamtvereins. Der Name RB Leipzig fällt hierbei nur rein zufällig.
Vereine, denen daran gelegen ist, ihre Fanstrukturen und die darum herum lebende Kultur so weit wie möglich unabhängig zu halten, sowie das Stadionerlebnis an sich nicht zentral einem Sponsor zu überlassen sondern von den eigenen Fans gestaltet zu sehen, stehen vor der Herausforderung dies auch in einer ersten Liga finanzieren zu können. Der Wunsch, aus Selbstverteidigung auf einen Aufstieg in die erste Liga zu verzichten, ist für mich durchaus verständlich.
Ich sehe momentan persönlich keine nachhaltige Möglichkeit, mit einem Verein erfolgreich in der ersten Liga zu spielen, der nicht jede Möglichkeit nutzt, den Spielbetrieb und seine eigenen Fans weitestgehend zu vermarkten. Sollte aber genau das Teil des Selbstbildes und Anspruchs eines Vereins sein, dann mischt sich dieser Widerspruch schnell mit einer, sicherlich in Teilen verklärten, Erinnerung an die „good old days“ als Fußball noch echt wahr und die Romantik noch gelebt anstatt bei Sky in 1:30 Minuten Trailern erzeugt wurde. Idealer Nährboden für den Wunsch, diesen „modernen Fußball“ nie erleben zu müssen und auf ewig in der gemütlichen zweiten Liga bleiben zu können.
(Dieser Wunsch schließt einen Aufstieg für eine Saison ja nicht komplett aus.)
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