Nationalismus raus aus den Köpfen?
Angriff
Von Daniel Roßbach
Während größerer Fußballturniere ist öffentlich zur Schau getragener Patriotismus so gegenwärtig wie sonst nie. Von Balkonen oder auf Autodächern flattern Fähnchen, Menschen versammeln sich um die Spiele der 'eigenen' Mannschaft zu verfolgen und haben dabei eine ebenso klare Präferenz für den Ausgang wie Medienvertreter, die von den Ereignissen im Duktus oder Habitus eines 'wir' berichten.
Vielleicht gibt es Gründe, sich so parteiisch zu verhalten. Allein der Umstand, dem selben Land anzugehören, ist keiner davon.
An dieser Stelle sind ein paar klärende Bemerkungen darüber nötig, wie geteilte Nationalität hier verstanden wird und was es ist, wozu sie nicht hinreicht. Nationale Verbundenheit verstehe ich hier in einem weiten Sinn, der Staatsbürgerschaft ebenso umfasst wie Verbundenheit über kulturelles oder familiäres Erbe und unilaterale oder wechselseitig anerkannte Adaption eines Landes als des eigenen. Denn was hier zur Debatte steht ist der Schritt von irgendeiner Form von Identifikation oder Zugehörigkeit zu einem Land pro tanto und positiven Einstellungen gegenüber einer mit ihm assoziierten Nationalmannschaft. (Viele der Überlegungen sind dabei aber wohl übertragbar auf agonale Kontexte außerhalb von Sport und Unterhaltung.)
Außerdem sollte klar sein, dass falls meine Argumente hier schlagend sind, daraus nicht folgt, dass niemand die Mannschaft seines Landes unterstützen darf. Zum einen sind natürlich alle guten Gründe für irgendeine Präferenz potentiell auch für diejenige gültig, die zufällig mit der patriotischen übereinstimmt. Zum anderen bräuchte es wenigstens weitere Argumentation zu behaupten, dass nur von Gründen gedecktes Handeln (moralisch) zulässig ist. Und selbstverständlich sind viele derart motivierte Handlungen und Äußerungen durchaus angenehm
Aber was soll uns überhaupt veranlassen, ein Verhalten zu problematisieren, das über Länder und Kontinente hinweg verbreitet ist? Gerade im Fall Deutschlands scheint es merkwürdig, eine Grundskepsis gegenüber patriotischen Regungen überhaupt begründen zu müssen. Und damit steht Deutschland nicht allein, vielmehr sind hier die historischen Abscheulichkeiten, an denen sich ein grundsätzlich positives Verhältnis zur eigenen Nation brechen sollte, in seinem Fall nur besonders groß und präsent.
Ein derartiger Blick in die Geschichte ist aber nicht einmal nötig, da in den aktuellen politischen Realitäten von Ländern wie den USA, Österreich, Frankreich, England oder Deutschland nur allzu offensichtlich ist, dass nationale Strömungen gefährlich sind. Aus diesen extremistischen Exzessen folgt natürlich nicht, dass jede Berufung auf Nation den selben Pathologien anheim fällt. Sie geben aber Grund zum Misstrauen zumindest gegenüber unreflektierter nationaler Identifikation.
Lukas zeigt richtig (s.u.), dass aus Gründen nationaler Verbundenheit Fan der eigenen Nationalmannschaft zu sein, weder hinreichend noch notwendig ist für Mutationen hin zu den problematischsten Formen von Nationalismus. Aber es normalisiert einen Abgrenzungsmechanismus: Auch Menschen, die keine nationalistischen Arschlöcher sind, betonen in diesem Kontext den Aspekt der Nation in der Konstruktion ihres Selbstbildes. Natürlich ist ein Nationalmannschaftsfan-sein möglich, dass ohne alle problematischen Aspekte funktioniert, was zeigt, dass dieses Fansein nicht die einzige Zutat für ein unbekömmliches Gemisch ist.
Daraus folgt aber nicht, dass es nicht eine der aktiven Zutaten ist. Ebensowenig können wir aus der Feststellung der eingeschränkten Rolle national-konnotierter Sympathien darauf schließen, dass in allen Fällen andere Komponenten zu problematischem nationalistischen Verhalten beitragen, die solche Kriterien erfüllen. Denkbar wäre dies etwa für einen Hang zu Xenophobie, der sich in einem Teil der Bevölkerung als -- bedauernswerte, aber schwer zu ändernde -- psychologische Tatsache herausstellen könnte, die (für manche Akteure) außerhalb internationalen Fußballs keinen Schauplatz fände. Wenn landsmannschaftlich konnotiertes Fansein dazu beiträgt, exzessiv nationalistisches Verhalten zu produzieren, hieße dies, dass es absent dieser Fankultur weniger moralisch falsche nationalistische Akte gäbe. Gerade von einem konsequentialistischen Standpunkt aus sollten wir dies zum Anlass nehmen, gewissermaßen die Beweislast umzukehren und nationale Identifikation nur in Bereichen voran zu stellen, in denen sie uns von der Sache aufgezwungen werden.
Gerade die offenbare Unreflektiertheit der Fahnenmeere auf Fanmeilen erfüllt also mit Unbehagen darüber, dass auf diese Weise Identitäten gefestigt werden, die gefährlichen Auswüchsen als Nährboden dienen können. Sie geben uns Grund, in jedem Kontext, in dem Menschen sich selbst und andere über ihre Nationalität definieren, darüber nachzudenken, ob diese Einstellung der Sache angemessen ist. Die Überlegungen hier sollen also dazu dienen, im besonderen Kontext von Fußball genau diese Reflektion anzustoßen.
Wenn wir uns aber dem Phänomen national motivierter Anhängerschaft im Fußball zuwenden zeigt sich, dass dies kein Fall ist, in dem nationale Identifizierung in einer Angelegenheit aus der Sache selbst hervorgeht. Patriotische Loyalität hat nichts mit dem eigentlichen Gegenstand des Interesses zu tun: dem Spiel, in diesem Fall also Fußball. Wer daran Interesse zeigt (und es ist nicht schlimm, wenn das nicht alle sind), sollte sich mit dem Spiel selbst befassen um wahrzunehmen, was darin geschieht. Und an den Urteilen, die sie sich dabei bilden, sollte sie auch ihre Sympathien ausrichten.
Gegen diese These gibt es zumindest zwei Einwände. Erstens ist in inter-nationalem Fußball, wie bei Welt-, Europa- oder Südamerikameisterschaften, Nationalität durchaus ein wesentliches Ordnungsprinzip. Wieso sollte das nicht für Fans in ähnlicher Weise wie für Spieler gelten? Die Antwort darauf hat mehrere Facetten. Zum einen leben wir in einer - trotz wiederkehrender Nationalismen - zunehmend kosmopolitischen Welt, in der Nationalitäten von Nationalspielern (etwa der Schweiz oder Albaniens) nicht selten fluider sind als ihre Positionen.
Zum anderen spräche der Einwand vielleicht nur dafür, den Selektionsmechanismus internationalen Fußballs als nicht substantiell begründet anzusehen. In der Tat gibt es keine intrinsische Notwendigkeit, die Mannschaften, die in diesen Turnieren antreten, nach Nation zu sortieren - die sportlich interessanten Eigenschaften lassen sich aber vielleicht nicht anders generieren. Sie liegen darin, aus einer festgelegten Gruppe von Spielern eine Mannschaft formen zu müssen, zu der etwa ein fehlender Linksverteidiger nicht mit Geld hinzugefügt werden kann.
Es gibt keine intrinsische Notwendigkeit, die Mannschaften, die in diesen Turnieren antreten, nach Nation zu sortieren
Natürlich gäbe es andere Aufteilungsschlüssel - etwa nach dem Tag im Monat, an dem man geboren wurde, falls man einen Weg findet, ein 32. Team zu erstellen. Was hier aber fehlt sind Institutionen, die auf die Produktion von Talent Einfluss nehmen können. Geschichten wie das Reboot machen im wesentlichen den Reiz inter-nationalen Fußballs aus.
Zweitens mag mir vorgeworfen werden, dass mein Argument auch für Vereine gelten würde, deren Fanbasis sich im Wesentlichen aus Lokalpatriotismus ergibt - und sich so ad absurdum führt. Hierzu ist einerseits zu sagen, dass Vereinsloyalität in den wenigsten Fällen ähnlich problematische Konnotationen wie Nationalismus aufweist. Andererseits kann auch solche Loyalität unbegründet sein - oder auf wesentliche Verbundenheit mit dem eigenen Verein zurückgehen, die für einige vielleicht auch zu einer Nationalmannschaft bestehen kann, und dann auch hier einen validen Grund für Unterstützung böte.
Dass sich support auch in Länderspiel-Kontexten an fußballerisch-inhaltlichen Gesichtspunkten orientieren sollte, heißt offensichtlich nicht, dass jeder die beste Mannschaft unterstützen sollte - sondern die, deren Fußball in seinem Charakter den eigenen Vorlieben am meisten entspricht. Deutschland mag meines Erachtens die beste Mannschaft der Weltmeisterschaft gewesen sein, aber ich zog ihrer Balanciertheit Chiles extrem proaktiven, kombinativen und taktisch aggressiven Bielsa/Sampaoli-Fußball vor.
Das gibt Anlass zu einem Exkurs über die Kontingenz von Nationalität. Kritische Auseinandersetzungen mit nationalen Regungen berufen sich oft darauf, dass nationale Zugehörigkeiten zufällig sind - man hätte genauso gut aus einem anderen Land kommen können, warum also den Umstand der eigenen Nationalität mit Bedeutung aufladen. Dieses Argument geht fehl, weil Staatsangehörigkeit und kulturelles Umfeld echte Eigenschaften sozial und politisch verorteter Personen sind, aus denen Sensibilitäten und Verantwortung erwachsen. Es macht einen Unterschied für mich, ob etwa faschistische Tendenzen im politischen Leben Deutschlands stärker werden, oder dem Österreichs.
Wenn die Mannschaft des eigenen Landes einen Fußball spielt, der die eigenen Ideale verwirklicht, kann das demnach in besonderer Weise befriedigend sein - wir sind in Nationalstaaten sozialisiert, sodass es durchaus einen Unterschied macht, was in und mit dem eigenen statt einem anderen Land geschieht. Die Gründe dafür - dass man es unmittelbarer wahrnimmt oder auf die ein oder Weise mit den Institutionen verbunden ist - die dafür sorgen, sind aber selbst nicht geeignet, patriotische Loyalität in weniger glücklichen Fügungen (also, zum Beispiel für Deutschland zwischen 1990 und 2005, als die Nationalmannschaft Fußball spielte, der nicht zu verteidigen war und ist) zu generieren.
Gerade weil nationale Identifikation eine gewisse substantielle Grundlage hat, ist sie nicht vollkommen frei wählbar. Ich kann mich nicht in der selben Weise entscheiden, ab jetzt Chilene zu sein, wie ich mich zum Fan der Chilenischen Fußballmannschaft machen kann (davon, dass wohl auch diese nationale Identifikation nicht unproblematisch ist, ganz abgesehen).
Das bedeutet, dass wenn, wie bei dieser Europameisterschaft, andere Anhänger der eigenen Nationalmannschaft Gewalttaten begehen oder sich wie nationalistische Arschlöcher verhalten, einem selbst weniger Möglichkeiten bleiben, sich davon zu distanzieren und man mit ihnen in mehr Weisen und in mehr kollektiven Subjekten verbunden ist.
Gegen den Gedanken, dass dies problematisch ist, mag eingewandt werden, dass die eigentlich wichtige Verbindung eben die in politischen Institutionen ist, in denen man dieses Verhalten sanktionieren oder verhindern könnte; und dass man sich in jedem Fall von diesen Arschlöchern abgrenzen kann. Beides gibt allerdings keinen Grund, überhaupt mit ihnen in einem Boot zu sitzen, aus dem man nicht zu leicht herauskommt.
Relevanter wird diese Dynamik noch in Bezug auf Regungen, die nicht auf die mehr oder weniger kleine Gruppe der nationalistischen Arschlöcher begrenzt sind. Dazu gehören etwa verirrte Diskurse, die nach 'Führungsspielern' lüsten oder Mesut Özil nicht als Weltklassespieler anerkennen, ebenso wie abstoßende Anspruchshaltungen , die oft mit sportlicher Ignoranz und Geringschätzung einhergehen. Sie sind Teil der Kollektiverfahrung, der man sich nicht entziehen kann, wenn man die eigene Präferenz patriotisch ausrichtet, und die es nur gibt, weil die meisten anderen dies tun.
Ebenso ärgerlich wie solche Haltungen, und genauso auf geschlossene nationale Identifikation angewiesen sind auch die vielleicht schlimmsten Folgen großer Fußballturniere dieser Tage: national ge-themeter Merchandise. Diese Produkte machen, um ehrlich zu sein, meinen Punkt effektiver als jedes der hier ausgeführten Argumente.
Verteidigung
Lassen Sie mich beginnen, indem ich sage, dass ich im Dienste der Prägnanz meine Position in diesem Pro&Contra-Post etwas zuspitze. Etwaige Zweifel und zusätzliche Komplexitäten werde ich ein wenig unter den Tisch kehren, um die Argumentation kurz und knackig zu halten. Nachdem ich das gesagt habe, nun aber los:
Man sollte nicht Fan der eigenen Nationalmannschaft werden, weil es die eigene Nationalmannschaft ist.1 Warum sollte das so sein? Was könnte einen zu dieser Konklusion bringen? Gehen wir einige Optionen durch.
Man könnte behaupten, dass es intrinsisch – also abgesehen von allen möglichen Folgen – problematisch ist, Fan der eigenen Nationalmannschaft zu werden. Für manche Handlungen gilt, dass viele Menschen glauben, dass sie intrinsisch problematisch sind. Lügen wäre ein Paradebeispiel. Auch wenn eine Lüge keine negativen Konsequenzen hervorbringt, z.B. weil der Belogene nie merkt, dass er belogen wurde, bleibt eine Lüge problematisch – oder zumindest glauben viele Menschen dies. Könnte ähnliches auch der Fall sein, wenn man Fan der eigenen Nationalmannschaft wird? Ich sehe nicht, warum dies so sein sollte. Wenn überhaupt irgendwas falsch daran ist, Fan der eigenen Nationalmannschaft zu werden, dann hat das sicherlich mit den Konsequenzen dieser Entscheidung zu tun und nicht an ihrem intrinsischen Charakter. (Wobei ich mich eh schwer damit tue, zu verstehen, was es genau bedeutet, dass eine Handlung intrinsisch schlecht ist. Vielleicht sehen Sie, lieber Leser oder liebe Leserin, die Sache ja anders.)
Okay, auf Ebene der Konsequenzen scheint also die Musik zu spielen. Wenn man nicht Fan der eigenen Nationalmannschaft werden sollte, dann weil dies gewisse negative Konsequenzen hätte. Bevor wir aber daran gehen, darüber nachzudenken, was für Konsequenzen dies sein könnten, müssen wir kurz innehalten und zwei Differenzierungen vornehmen. Ich verstehe die hier diskutierte These so, dass diskutiert wird, warum es besonders problematisch sein könnte, Fan der eigenen Nationalmannschaft zu sein. Was meine ich hier mit „besonders problematisch“? Damit ist gemeint „problematischer als Fan irgendeiner anderen Nationalmannschaft zu sein“. Es werden hier nicht die allgemeinen Probleme des Fußballfan-Seins besprochen, sondern nur die Probleme, die damit einhergehen, dass man grade Fan der eigenen Nationalmannschaft wird. Negative Konsequenzen, die für für das Fußballfan-Sein allgemein einschlägig sind und nicht besonders an das Fan der eigenen Nationalmannschaft-Sein geknüpft sind, können wir also geflissentlich ignorieren.
Aber damit noch nicht genug, wir können den Bereich der potentiellen negativen Folgen, die wir betrachten müssen, sogar noch weiter eingrenzen! Schließlich geht es hier nur um die negativen Konsequenzen davon, Fan der eigenen Nationalmannschaft zu sein, weil es die eigene Nationalmannschaft ist. Damit sind alle negativen Folgen raus, die auch auftreten würden, wenn man aus anderen Gründen Fan der eigenen Nationalmannschaft wird, z.B. weil man eine Lotterie veranstaltet hat und halt zufällig die eigene Nationalmannschaft gezogen hat.
Okay, genug der Differenzierung. Bleiben nach diesen Eingrenzungen überhaupt noch mögliche negative Folgen übrig? Nunja, so könnte mein Widersacher antworten, einige Folgen gibt es schon, für die gilt, dass sie a) negativ sind b) nur beim Unterstützen der eigenen Nationalmannschaft auftreten und c) nur auftreten, weil man die eigene Nationalmannschaft unterstützt, weil es nunmal die eigene Nationalmannschaft ist. Was für Folgen könnten das sein? Es sind diverse Folgen, die sich stark dahingehend unterscheiden, was genau passiert und wie schlimm das ist, die man aber vielleicht grob unter einer Bezeichnung vereinen könnte: sich wie ein nationalistisches Arschloch zu verhalten. In vergleichsweise milder Form kann sich dies dadurch äußern, dass man sich über andere Länder beleidigend lustig macht. In härterer Form führt dies zu ausländerfeindlichen Übergriffen etc pp. Und, so viel möchte ich meinem Gegenüber zugestehen, es erscheint tatsächlich plausibel, dass es einen gewissen statistischen Zusammenhang zwischen „Fan der eigenen Nationalmannschaft werden, weil es die eigene Nationalmannschaft ist“ und nationalistischem Verhalten gibt. Wer Fan der eigenen Nationalmannschaft wird, weil es die eigene Nationalmannschaft ist, neigt vermutlich statistisch betrachtet eher dazu, sich wie ein nationalistisches Arschloch zu verhalten. Dass sich so zu verhalten eine negative Folge wäre, will ich keinesfalls bestreiten.
Gebe ich meinem Widersacher also Recht? Hisse ich das weiße Deutschlandtrikot zum Zeichen meiner Niederlage? Nein, das nun wieder auch nicht. Noch müssen wir näher betrachten, wie der Zusammenhang zwischen „ein nationalistisches Arschloch sein“ und „Fan der eigenen Nationalmannschaft werden, weil es die eigene Nationalmannschaft ist“, genau geartet ist. Fangen wir mal so an: Ist Fan der eigenen Nationalmannschaft zu werden, weil es die eigene Nationalmannschaft ist, eine notwendige Bedingung dafür, ein nationalistisches Arschloch zu sein? Dem ist klarerweise nicht so. Viele Wege führen zum nationalististischen Arschloch, dies ist höchstens einer davon. Ist es aber vielleicht eine hinreichende Bedingung dafür, sich wie ein nationalistisches Arschloch zu verhalten, Fan der eigenen Nationalmannschaft zu sein? Auch dies würde ich bestreiten. Ich bin Fan der deutschen Nationalmannschaft und ich kann nicht leugnen, dass die Tatsache, dass ich Deutscher bin damit einiges zu tun hat. Doch möchte ich nach bestem Wissen und Gewissen behaupten, dass ich mich nicht wie ein nationalistisches Arschloch verhalte. Ich beleidige keine anderen Länder, mache sie auch sonst durch mein Verhalten nicht runter, glaube nicht an „right or wrong, my country“ und handle, soweit ich das irgendwie beurteilen kann, nicht ausländerfeindlich. Zudem bin ich mir relativ sicher, dass ich da keine Ausnahme bin. Viele Menschen schaffen es, Fan der eigenen Nationalmannschaft zu sein, weil es die eigene Nationalmannschaft ist, ohne deshalb gleich zum nationalistischen Arschloch zu mutieren.
Viele Wege führen zum nationalististischen Arschloch, Fan der Nationalmannschaft zu sein ist höchstens einer davon.
Habe ich damit alles gezeigt, was ich zeigen muss? Genügt es, festzuhalten, dass Fan der eigenen Nationalmannschaft zu sein, weder eine hinreichende noch eine notwendige Bedingung dafür ist, ein nationalistisches Arschloch zu sein, um zu widerlegen, dass man nicht Fan der eigenen Nationalmannschaft sein sollte, weil es die eigene Nationalmannschaft ist? Das wäre wiederum von meiner Seite zu schnell geschossen. Es könnte ja zum Beispiel sein, dass Fan der eigenen Nationalmannschaft zu sein, weil es die eigene Nationalmannschaft ist, das Risiko erhöht, ein nationalistisches Arschloch zu werden. Und, so viel würde ich zugeben, diese Annahme scheint gar nicht mal so abwegig. Genügt das allein nicht schon, um zu zeigen, dass es problematisch ist, Fan der eigenen Nationalmannschaft zu sein, weil es die eigene Nationalmannschaft ist? Ich denke, und dies ist der letzte Punkt, den ich in diesem kleinen Essay machen werde, dem ist nicht so. Das Risiko, ein nationalistisches Arschloch zu werden, erhöht sich nämlich nicht im Sinne einer nicht zu beeinflussenden Lotterie, wenn man Fan der eigenen Nationalmannschaft ist, weil es die eigene Nationalmannschaft ist. Es ist nicht so, dass normalerweise jeder hunderste Mensch das Los bekommt, ein nationalistisches Arschloch zu sein und unter Fans der eigenen Nationalmannschaft jeder zehnte. Anders als in einem solchen Lotterieszenario hat man ganz persönlich einen Einfluss darauf, ob man ein nationalistisches Arschloch wird - unabhängig davon, ob man auch noch Fan der eigenen Nationalmannschaft ist, weil es die eigene Nationalmannschaft ist. Diesen Einfluss muss man nutzen. Man ist moralisch dazu aufgefordert, dafür zu sorgen, kein nationalistisches Arschloch zu werden – auch, und aufgrund des statistischen Zusammenhangs: grade, wenn man zudem auch noch Fan der eigenen Nationalmannschaft ist, weil es eben die eigene Nationalmannschaft ist. Tut man dies und ist man erfolgreich damit, dann sehe ich nicht, was dagegensprechen sollte, Fan der eigenen Nationalmannschaft zu sein, weil es die eigene Nationalmannschaft ist. Man muss es eben nur verantwortungsbewusst tun.
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